Zum Schutz der Opfer ist es wichtig, die eigenen Rechte zu kennen.
Nur wer seine Rechte kennt, kann sie auch wahrnehmen. Zu den Informationsrechten gehören:
- Orientierung über die Opferhilfeleistungen und die Opferberatungsstellen (Art. 305 Abs. 2 StPO)
- Orientierung über die Rechte im Strafverfahren (Art. 305 Abs. 1 StPO)
- Mitteilung von Entscheiden über die Anordnung und die Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherungshaft und Information über eine Flucht der beschuldigten Person (Art. 214 Abs. 4 StPO)
- Orientierung über den Zeitpunkt des Straf- oder Massnahmentritts, die Rückversetzung und eine Flucht und deren Beendigung (auf schriftliches Gesuch an die Vollzugsbehörde) (Art. 92a StGB, Art. 1 Abs. 2 lit. ibis JStG, Art. 305 As. 2 lit. d StPO).
Die Schutzrechte sollen das Opfer vor besonders belastenden Eingriffen in die Persönlichkeit schützen. Da Opfer von Sexualdelikten sowie Kinder aus verschiedenen Gründen besonders schutzbedürftig sind, werden ihnen zum Teil besondere Rechte eingeräumt.
Zu den Schutzrechten gehören:
- Verbot, die Identität des Opfers ausserhalb des Verfahrens zu veröffentlichen (Art. 74 Abs. 4 StPO)
- Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Gerichtsverhandlung unter bestimmten Voraussetzungen (Art. 70 Abs. 1 lit. a StPO)
- Anonymität gegenüber der beschuldigten Person, wenn besondere Gründe vorliegen (Art. 150 StPO)
- Vermeidung der Gegenüberstellung mit der beschuldigten Person auf Wunsch des Opfers (Art. 152 Abs. 3 StPO)
- Begleitung durch eine Vertrauensperson an Befragungen der Polizei, der Untersuchungsbehörde oder des Gerichts (Art. 70 Abs. 2 StPO, Art. 152 Abs. 2 StPO, Art. 149 Abs. 3 StPO)
- Verweigerung von Fragen zur Intimsphäre, wenn es sich um ein Sexualdelikt handelt (Art. 169 Abs. 4 StPO)
- Befragung durch eine Person des gleichen Geschlechts, wenn es sich um ein Sexualdelikt handelt (Art. 153 Abs. 1 StPO)
- Übersetzung der Befragung durch eine Person des gleichen Geschlechts, wenn es sich um ein Sexualdelikt handelt und dies ohne Verzögerung des Verfahrens möglich ist (Art. 68 Abs. 4 StPO).
Für Kinder (Personen unter 18 Jahren) gelten besondere Regeln bei der Gegenüberstellung mit der beschuldigten Person oder bei der Einvernahme, sofern erkennbar ist, dass diese zu einer schweren psychischen Belastung führen könnte:
- Eine Gegenüberstellung mit der beschuldigten Person muss vermieden werden, auch ohne ausdrücklichen Antrag des Opfers (Art. 154 Abs. 4 lit. a StPO)
- In der Regel sind nur zwei Einvernahmen während der Dauer des Strafverfahrens zulässig (Art. 154 Abs. 4 lit. b und c StPO)
- Einvernahmen werden von einer entsprechend ausgebildeten Ermittlungsbeamtin im Beisein einer Spezialistin durchgeführt (Art. 154 Abs. 4 lit. d StPO).
Das Strafverfahren ist eine Auseinandersetzung zwischen dem Staat und der beschuldigten Person. Das Opfer kann sich jedoch auch am Strafverfahren beteiligen. Dazu muss das Opfer ausdrücklich gegenüber den Strafverfolgungsbehörden erklären, sich am Strafverfahren beteiligen zu wollen (Konstituierung als Privatklägerschaft). Diese Erklärung ist spätestens bis zum Abschluss der Strafuntersuchung abzugeben.
Zu den Beteiligungsrechten gehören im Wesentlichen:
- Geltendmachung von Zivilansprüchen (Schadenersatz und Genugtuung) gegen die beschuldigte Person (Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO; Art. 122 ff. StPO)
- Anfechtung einer Einstellung des Strafverfahrens beim Gericht (Art. 322 StPO)
- Anfechtung des Strafentscheids (z.B. Freispruch) (Art. 382 Abs. 1 StPO).
Ist eine anwaltliche Vertretung notwendig und verfügt das Opfer nicht über die finanziellen Mittel dafür, kann es im Strafverfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtsvertretung stellen. Wird dieses abgewiesen, kann ein Gesuch bei der Kantonalen Opferhilfestelle gestellt werden.